Eremit
Ein hängendes Bild
Das Gemüter
bezwingt
In den Lüften
versinkt
Vereinsamt und wild
Ein stehendes Schild
Das beschützt und erzwingt
Für den Menschen der ringt
Zu zeigen was gilt
Achtlos und
achtsam
Ratlos doch
ratsam
Das ist es was
sticht
Trotz all dieser Sicht
Achtsam und achtlos
Ratsam doch ratlos
Das ist was dann bricht
Wenn Mensch nicht bespricht
Trotz Einsicht
entspricht
Die Weitsicht dem
Licht
Den Klängen des Denkens
Den Orten des Lenkens
So ist die Einsicht
Licht aus der Weitsicht
Aus Klängen vom Reden
Aus Orten im Wesen
André Lourenço, Assistent im forum³
Andrés Gedicht
fordert auf zur Unterbrechung. Schnelles Konsumieren und smartes Einordnen sind nicht möglich. Der Text will, dass ich ihm Raum gebe,
viel Raum, sonst bleibt er stumm. Das
Gedicht erzwingt von mir die Entscheidung, mir Zeit zu nehmen, in diese Wortwelt
einzutauchen, sorgfältig die vielfältigen Bezüge zu entdecken - oder aber zu
meiner nächsten Beschäftigung weiterzugehen. (Ich habe ja so viel zu tun.)
Das lässt mich an
das Motto unseres forum³-Programms für das Frühjahrsemester 2022 denken:
„brückenbauen“. Uns besorgen und bewegen die Separierungsbewegungen in
Gesellschaft, Politik, Freundschaften und Familien. Menschen bestätigen sich in
ihren eigenen Echokammern und verstehen sich darüber hinaus immer weniger.
Verständigung wird erst recht kaum noch möglich.
Da bräuchte es
gerade das, was Andrés Gedicht von mir fordert. Mir Zeit nehmen, statt weiterzumachen.
Mich einlassen auf Fremdes und Unverständliches. Sinnbezüge entdecken, wo ich
zunächst nur ein Durcheinander an Worten sehe. Verstehen wollen auch, wenn das
von mir innere Arbeit erfordert.
Und da geht mir
auf, wie dieses spiegelbildliche Gedicht selbst Brücken baut. Ich gehe hin und
her zwischen links und rechts, Verstandenem und (noch) Fremdem, immer wieder.
Ich spanne feine Fäden des Verstehens, interpretiere die eine Seite von der
anderen her, merke auch, dass mein einsames Verstehenwollen danach drängt, mich
mit anderen Verstehenwollenden zu besprechen.
Am Schluss merke ich, dass das, was dieser Prozess des Verstehens mit mir gemacht hat, wichtiger ist als das Verstandene selbst.
Thomas Schüpbach-Schmid, Hochschulseelsorger
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